Eine persönliche Rückschau auf einen Höhepunkt eines Musikerlebens
Nicht enden wollender Beifall, standing ovations, Bravo-Rufe aus dem Publikum und 10 Musiker in einer Linie an der Bühnenkante, also 8 Hot Jazz Stompers und Juraj Stanik mit dem Weltstar Ack van Rooyen in ihrer Mitte … Was für ein Gefühl! Adrenalinschübe im Sekundentakt! Verbeugungen und wieder Verbeugungen! Momente, die ein Musiker nie vergessen wird!
Ein 2 ½-Stunden-Jazzerlebnis hatte mit einem wahrhaft erstklassigen musikalischen Finale seinen Abschlussakkord gefunden. Nein, so etwas haben wir noch nicht erlebt!
Was war geschehen?
Für die Hot Jazz Stompers und für alle Jazzfreunde ein einmaliges Erlebnis: Jazzlegende Ack van Rooyen hatte sein Versprechen wahr gemacht und gab ein gemeinsames Konzert mit der Cloppenburger Band.
„Für Cloppenburg eine Sensation“ kündigte Bandsprecher Otto Nordiek das Konzert an, „wir freuen uns riesig, mit Ack einen Weltstar hier in Cloppenburg begrüßen zu dürfen, und dass er mit uns gemeinsam musiziert, macht die Freude grenzenlos“.
Von Angst vor dem gemeinsamen Auftritt mit dem Weltstar konnte bei den Stompers keine Rede sein. Eher war es großer Respekt vor dem Namen, der Lebensleistung des 86jährigen Holländers und Dankbarkeit dafür, dass er uns Musikern einen solchen Auftritt schenkt.
Mit der Ankündigung der Gäste mit dem großen Namen gingen die Gedanken zurück an die monatelange Vorbereitung, die zeitweilig ein ziemlicher Kraftakt war.
Dem Trompeter der Stompers, Günter Buschenlange, hatte Ack van Rooyen Ende des Jahres 2015 nach einem Konzert in Osnabrück spontan zugesagt, für ein gemeinsames Konzert mit den Hot Jazz Stompers nach Cloppenburg zu kommen. Im Januar wurde dann ein Termin gefunden. Es schlossen sich für die Stompers Wochen und Monate mit vielen Telefonaten, Email-Sendungen und intensiver Probenarbeit an. Sie wussten: Das wird ein ganz besonderer Abend für die Band und das Cloppenburger Publikum.
Und dann die Erleichterung vor dem Konzert: Der Wagen mit dem holländischen Kennzeichen fährt vor dem Kulturbahnhof vor; Ack ist ganz locker und freundlich; gleich entsteht eine angenehme, kollegiale Atmosphäre; gemeinsame kurze Probe, gemeinsames Essen im Restaurant. Und dann: raus auf die Bühne, Ansage, kein Zurück mehr, DAS Ereignis im Leben der Stompers beginnt.
Mitgebracht hat Ack van Rooyen seinen Pianisten, Juraj Stanik, Dozent am Konservatorium Den Haag, wo auch Ack van Rooyen unterrichtete.
Im ersten Teil zeigt der Meister am Flügelhorn dann all sein Können, basierend auf 70 Jahren Bühnenerfahrung in aller Welt. Bereits 1949 hatte er als Austauschstudent in New York Kontakt mit Charlie Parker, Fats Navarro und Clifford Brown, die seinen weiteren Lebensweg prägen sollten.
1960 kam er nach Berlin und war Mitbegründer der SFB Big Band. In den 1970er Jahren prägte er den Sound des Bert Kaempfert Orchesters und mit diesem hatte er unvergessene Auftritte in der stets ausverkauften Londoner Royal Albert Hall. Mit Miles Davis spielte er auf dem Jazzfestival in Montreux. „Diese Auftritte gehören zu den schönsten Erinnerungen, obwohl natürlich alle ganz toll waren“, erzählte er den Mitgliedern der Cloppenburger Stompers vor dem Konzert. Doch auch sein Mitwirken in Peter Herbolzheimers „Rhytm Combination and Brass“ sei ihm unvergessen und die Auftritte mit dieser Band in der Fernsehsendung „Bios Bahnhof“ erinnerte ihn nun – zumindest vom Namen – ein wenig an den Cloppenburger Kulturbahnhof.
Vor dem ersten Ton lässt sich Ack ein wenig Zeit, nimmt Kontakt zum Mundstück seines Instrumentes auf, blickt noch einmal zu Juraj Stanik hinüber, und dann schweben die ersten Töne mit einem Hauch der Bühnen dieser Welt durch die erwartungsvolle Stille des Kulturbahnhofs Cloppenburg.
Mit Stücken wie „Soft Shoulders“, Because I Love You“ zeigt Ack die ganze Leichtigkeit seines Spiels mit dem Flügelhorn, gepaart mit einer unglaublichen Virtuosität und Klarheit im Ton. Mit „Flügelhorn im Herbst“, zieht er Parallelen zum Leben eines Musikers im fortgeschrittenen Alter. Und das Publikum weiß, er erzählt von seinem eigenen Musikerleben. Mit dem Stück „Song For Lost Friends“ erinnert Ack an all die bereits verstorbenen Jazzkollegen. Sein warmer Flügelhornton bestimmt sein Spiel. Auf dem Fundament eines sehr weichen, mitunter auch sehr virtuosen und verspielten Stanik-Pianos entlässt Ack die Töne mal in kaum enden wollenden Kaskaden, dann wieder in kürzeren Phrasen aus seinem Instrument. Dabei entfernt er sich teilweise in nicht zu enden scheinenden Improvisationen vom Eingangsthema, kehrt aber traumwandlerisch sicher immer wieder zu ihnen zurück. Der Stompers-Musiker sitzt fasziniert und vollkommen euphorisiert mit offenem Ohr und weitem Herzen davor und genießt den Moment.
Immer wieder – wie schon beim ersten Kennenlernen vor dem Konzert – blitzt bei seiner sparsam gesetzten, von seinem sympathischen Charakter geprägten Moderation Acks scharfsinniger, mit einem verschmitzten Lächeln vorgetragener Humor hervor. Er erklärt auf heitere Art die Kunst des Improvisierens als ein Gespräch zwischen Instrumenten und Musikern, die in Fragen und Antworten sich gegenseitig sehr persönliche Ideen und Nachrichten mitteilen. Mal weiß der „Gesprächspartner“ viel, ein anderes Mal wenig oder auch gar nichts zu erwidern – eben wie im täglichen Leben. Ack spielt einige Töne einer bekannten Melodie, und das Publikum singt spontan seine Vervollständigung als Antwort. Faszinierend, wie man gleich im nächsten Stück eben diese Erkenntnis im Zusammenspiel Acks mit Juraj Stanik nachvollziehen kann.
Nach einer kleinen Pause beginnen dann die Hot Jazz Stompers den zweiten Teil des Konzertes mit folgender Besetzung: Jens Buschenlange tr, Günter Buschenlange tr unf flh, Niklas Hüggelmeyer tb, Lorenz Schönle sax, Florian Graf dr, Michael von Klitzing b und voc, Joel Guzman voc und Otto Nordiek bj und git.
Sie starten mit zwei Stücken, die die letzten Fetzen von Lampenfieber wegblasen. Dann wird gemeinsam gejamt, Ack van Rooyen, Juraj Stanik und die Hot Jazz Stompers spielen Klassiker wie den „C-Jam Blues“, „I Got Rythm“, „All Of Me“ oder „Summertime“. Ack, der vor dem Konzert ehrlich zugab, kein Freund ausufernder Jamsessions zu sein, führt uns mit langer Leine, aber sicherer Hand durch die Stücke. Er macht wahr, was er vor dem Konzert den Stompers versichert hat: Ich kann mir die Auftritte inzwischen aussuchen. Und wenn ich jungen Musikern etwas von meiner Erfahrung mitgeben kann, spiele ich gern zusammen mit ihnen. Die Improvisationen, das wechselseitige Entfalten der musikalischen Ideen der Musiker führt mit Acks Improvisationskunst in für HJS-Musiker ungeahnte Nischen der Melodien. Manchmal hat man den Eindruck, das Stück hinge „am seidenen Faden“. Dann aber lässt Ack die Brass-Section der Band alles wieder zum Ausgangspunkt zurückkommen.
Die Hot Jazz Stompers bedanken sich schließlich herzlich bei den holländischen Gästen für den unvergesslichen Abend, und Günter Buschenlange überreicht ihnen zum Abschied den „Amerikatropfen“ des Garreler Heimatvereins als Wegzehrung für die nächtliche Rückfahrt nach Den Haag.
Im dritten Konzertteil spielen die Hot Jazz Stompers dann Stücke aus ihrem neuen Programm und lassen es ganz befreit von anfänglicher Anspannung richtig „krachen“. Bei “St. Louis Blues”, “Running Wild” , “Something funny`s going on”, “Mess around”, “Minnie the Moocher” und “Sweet Home Chicago” reißt es die Cloppenburger Zuhörer förmlich von den Sitzen, die diesen kraftvollen, neuen Sound der Stompers in dieser Intensität noch nicht gehört haben. Improvisation als Frage-und-Antwort-Spiel, keine Hemmungen vor einer ausgefallenen Phrase und das Wissen um das eigene, im gemeinsamen Konzert mit Ack van Rooyen gestärkte Selbstbewusstsein bringen bisher nie gehörte Stompers-Qualitäten zu Gehör.
Und so war es dann auch kein Wunder, dass die Besucher des Abends restlos begeistert waren und viele sich im Anschluss für diesen „wunderbaren Abend“ bei der Band bedankten. Bereitwillig und dabei immer zu einem freundlichen Plausch bereit, signierten Ack und Juraj noch viele Plakate und nahmen die Glückwünsche für ihr tolles Konzert mit den Hot Jazz Stompers entgegen.
Nach der letzten Verbeugung an der Bühnenrampe und noch ganz im Bann des unvergesslichen Bühnenerlebnisses wurden die Stompers mit Glückwünschen und überschwänglichen Lobeshymnen überhäuft. Ganz fremde Menschen wollten Hände schütteln, klopften den Bandmitgliedern anerkennend auf die Schultern und erzählten aufgeregt von ihren Gefühlen während des Konzertes. Ein Ehepaar war extra aus aus dem Kreis Herford angereist und meinte mit einem anerkennenden Lächeln: „Vielen Dank für dieses tolle Konzert und die Chance, Ack van Rooyen mal live zu erleben. Es war ein Erlebnis!“ Und andere sagten: „Das waren ja ganz andere Stompers im Vergleich zu früher. Klasse! Das gefällt uns! Macht weiter so!“
Aber auch Ack und Juraj bedankten sich bei der Band: „Ein tolles Konzert mit Freunden und netten Menschen im wunderschönen Kulturbahnhof Cloppenburg. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder, entweder in Cloppenburg oder in Holland.“ Sagten es und umarmten die Stompers, bevor sie in die Nacht verschwanden.
Die Cloppenburger Musiker konnten nach diesem Erlebnis verständlicherweise nicht einfach nach Hause fahren. Unterbrochen von Lobeshymnen der Konzertbesucher in der Kulturbahnhofskneipe ließen sie den Abend an der dortigen Theke noch viele Male Revue passieren.